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Ludwig von Roll vor einer Landschaft mit Schweizer Söldnern auf dem Marsch nach Paris im 17. Jahrhundert
Dr. phil. Vincent P. Oberer Sonntag, 1. Juni 2025 von Dr. phil. Vincent P. Oberer

Wissenswertes

Ludwig von Roll: Ein Schweizer Solddienstunternehmer im Dreissigjährigen Krieg

Am 10. Juni 2025 erscheint im Schwabe Verlag mein neues Buch "Ludwig von Roll: Ein Schweizer Solddienstunternehmer im Dreissigjährigen Krieg" (ISBN: 978-3-7965-5219-9). Darin zeige ich die faszinierende Geschichte von Ludwig von Roll auf, einem Solothurner Patrizier, der im 17. Jahrhundert als Solddienstunternehmer in französische Dienste trat. Seine Erlebnisse – festgehalten in einzigartigen Tagebüchern – erlauben tiefe Einblicke in das politische Ränkespiel, die Kriegswirtschaft und das höfische Leben jener Zeit. In diesem Artikel erhalten Sie einen kleinen Vorgeschmack zum Buch und erfahren, warum Ludwig von Roll bis heute ein spannendes Beispiel für die Verbindung von Krieg, Wirtschaft und Diplomatie ist – und was seine Geschichte über die Schweiz im Dreißigjährigen Krieg verrät.

Die Schweizer Eidgenossenschaft, Frankreich und das Söldnerwesen im 17. Jahrhundert

Der Dreissigjährige Krieg (1618–1648) war einer der brutalsten Konflikte der europäischen Geschichte. Ausgelöst durch religiöse Spannungen zwischen Protestanten und Katholiken, entwickelte er sich rasch zu einem politischen Machtkampf, der vorwiegend das Heilige Römische Reich in Mitleidenschaft zog. Millionen von Menschen verloren ihr Leben und ganze Regionen in Europa wurden entvölkert.

Die Alte Eidgenossenschaft blieb offiziell neutral. Die konfessionelle Spaltung zwischen katholischen und reformierten Orten sowie die pragmatische Politik der Tagsatzung verhinderten ein gemeinsames militärisches Eingreifen. Doch die Schweiz war keineswegs unbeteiligt: Als stabile, vom Krieg weitgehend verschonte Region versorgte sie die umliegenden Mächte mit Lebensmitteln, Vieh, Waren – und Söldner.

Besonders Frankreich setzte im Dreissigjährigen Krieg auf Schweizer Söldner. Über Kapitulationen – formelle Bündnisse zwischen französischer Krone und einzelnen Kantonen oder Familien – wurden tausende Eidgenossen rekrutiert. Sie kämpften an vorderster Front in berühmten Schlachten wie jener von Rocroi (1643). Die Schweiz wurde dadurch zu einem unverzichtbaren Personalreservoir für Frankreich – und der Solddienst zu einem profitablen Geschäft.

Dieses Geschäft organisierten sogenannte Solddienstunternehmer: adelige oder patrizische Gewaltorganisatoren, die auf eigene Rechnung Truppen anheuerten, ausrüsteten und für fremde Herrscher gegen Geld und Rechte kämpften. Eine dieser Persönlichkeiten war Ludwig von Roll aus Solothurn.

Ludwig von Roll – Solddienstunternehmer zwischen Hof und Heer

Buchcover - Der Solothurner Solddienstunternehmer Oberst Ludwig von Roll

ISBN 978-3-7965-5219-9; Erscheint im Juni 2025, Schwabe Verlag Basel

Ludwig von Roll wurde 1605 in eine bereits im Solddienst befindlichen Familie Solothurns geboren. Die Familie von Roll hatte sich dank einer geschickte Heiratspolitik, Ämteranhäufung und Landbesitz eine führende Stellung im katholischen Patriziat gesichert. In Zeiten, in denen Handel als „unehrlich“ galt, verzichteten die von Roll bewusst auf wirtschaftliche Aktivitäten und setzten stattdessen auf Adelsnormen und Netzwerke. So verbanden sie sich mit anderen namhaften Schweizer Soldunternehmerfamilien die vorwiegend ebenfalls in französischen Diensten standen.

Ein wichtiger Standortvorteil für den Solddienst war die Stadt Solothurn selbst: Seit dem 16. Jahrhundert war sie der Sitz der französischen Botschaft in der Schweiz. Der französische Gesandte – meist mit Hofstaat – residierte dauerhaft in der Stadt und pflegte von dort aus intensive Beziehungen zu den anderen Schweizer Orten. Diese Nähe zum französischen Hof verschaffte Familien wie den von Roll nicht nur Einfluss, sondern auch direkte Zugänge zu lukrativen militärischen Positionen.

Ludwig von Roll nutzte diese Voraussetzungen konsequent: Bereits mit 19 Jahren trat er in die Dienste der französischen Schweizergarde ein. 1635 wurde er zum Hauptmann befördert und 1641 zum Oberst. 1642 wurde er zum königlichen Kammeredelmann ernannt – ein Zeichen hohen Vertrauens. 1648 wurde er zum Ritter des St. Michael-Ordens gekürt.

Ludwig von Roll zeigte stets viel Mut bei den Schlachten und seine Soldaten zeichneten sich durch ihre Brutalität aus – ein wichtiger Faktor für Schweizer Söldner jener Zeit. Ludwig von Roll entwickelte sich nicht nur zum erfolgreicher Unternehmer auf dem militärischen Gewaltmarkt – er kann auch als glänzendes Beispiel für die klassische Verschmelzung von höfischer Loyalität, wirtschaftlichem Kalkül und diplomatischem Geschick gelten.

Alltag, Macht und Abhängigkeit: Der Preis des Erfolgs

Was das Leben eines Solddienstunternehmers im 17. Jahrhundert wirklich bedeutete, zeigt sich in Ludwig von Rolls Tagebüchern. Sie erzählen von Korruption, Konkurrenz und chronischer Unsicherheit. Die französische Krone war für ihre schlechte Zahlungsmoral berüchtigt – viele seiner Kollegen gingen bankrott oder verschuldeten sich tief.

Um zu überleben, musste von Roll nicht nur militärisch kompetent sein, sondern sich auch den höfischen Regeln unterwerfen: Er brauchte Zugang zu Informationen, Kreditgebern und politischen Gönnern. In einem System, das auf persönlichem Vertrauen und Reputation beruhte, war ein beschädigter Ruf wirtschaftlich verheerend. Deshalb waren Duelle unter eidgenössischen Offizieren keine Seltenheit – sie dienten oft der Verteidigung des eigenen Leumunds.

Ludwig von Roll verstand es, sich diesem System anzupassen. Er verkörperte den Typus des nicht freien, aber erfolgreichen Mannes, dessen Leistung im strategischen Geschick bestand. Seine Geschichte ist nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant – und sie zeigt, wie moderne Prinzipien von Unternehmertum und Netzwerken bereits damals auf dem Gewaltmarkt funktionierten.

Warum Ludwig von Roll auch heute noch aktuell ist

Ludwig von Roll verkörpert ein Phänomen, das weit über die historische Figur hinausreicht: den Unternehmer im Spannungsfeld von Politik, Krieg und Wirtschaft. Seine Biografie bietet einen einzigartigen Blick auf die Mechanismen von Macht, Loyalität, Abhängigkeit – und darauf, wie wirtschaftlicher Erfolg im Kontext persönlicher Netzwerke und strategischer Anpassung entstand. Gerade im Hinblick auf aktuelle globale Krisen wird deutlich, wie zeitlos manche Strukturen sind: Netzwerke und persönliche Beziehungen entscheiden oft über Aufstieg oder Fall; wirtschaftliche Interessen dominieren politische Entscheidungen. Auch heute noch finden wir vergleichbare Muster – sei es im Bereich der Rüstungsexporte, in internationalen Sicherheitsabkommen oder bei der wirtschaftlichen Einflussnahme grosser Staaten.

Ludwig von Rolls Leben zeigt, dass Geschichte nicht nur rückblickend erklärt, sondern auch zukunftsweisend verstanden werden kann. Es lädt dazu ein, historische Ereignisse nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines grösseren, bis heute wirksamen Zusammenhangs: Wie Staaten und Individuen Macht sichern, wie Loyalitäten verhandelt werden und welche Rolle wirtschaftliche Interessen im politischen Spiel spielen.

Möchten Sie noch tiefer in die faszinierende Welt von Ludwig von Roll und des Schweizer Söldnerwesens im 17. Jahrhundert eintauchen?

Das neue Buch gewährt erstmals auf Basis neu ausgewerteter Quellen einen umfassenden Einblick in das Leben Ludwig von Rolls, die Welt der Solddienstunternehmer, ihrer Netzwerke sowie wirtschaftlichen Abhängigkeiten – und zeigt, wie eng Geschichte und Gegenwart miteinander verwoben sind.

Sind sie an weiteren geschichtlichen Themen interessiert, dann kommen sie mit Läggerli Tours auf eine passenden historische Stadtführung durch Basel! Erleben Sie mit uns die politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Verflechtungen jener Zeit – lebendig, fundiert und mit überraschenden Bezügen zur Gegenwart.

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